Frauenpower.
Ich habe für mich entschieden, dass es Gott gibt. Ja, ich halte es sogar für ziemlich wahrscheinlich, dass es ihn gibt. Warum das so ist? Zum einen habe ich ihn gesehen, den Schöpfer der Welt. Also nicht richtig gesehen, sondern nur ein Bild von ihm in Erinnerung. Ein alter Herr mit weißem Bart, würdevoll auf einer Wolke sitzend. Die Farbe seines wallenden Gewandes ist mir über die Jahre entfallen, ich habe auch keinen Katechismus mehr, um darin nachzuschauen. Aber abgesehen von der Farbe ist das Bild noch da. Und ein weiteres Indiz lässt mich an seine Existenz glauben. Einstein, jawohl, Albert Einstein. Einstein war ein kluger, ein blitzgescheiter Mann, ein Genie. "Gott würfelt nicht", sagte er und meinte damit wohl, dass alles nach einem göttlichen Plan geschieht. Wenn "er" also nicht würfelt, dann ist die Schlussfolgerung, dass es „ihn“ zumindest gibt. Ich stehe fest zu Albert Einstein und seit gestern Nacht überdies dazu, dass Gott tatsächlich einen Plan hat, auch wenn dieser mir manchmal unverständlich ist. Bis zu dieser Nacht war es mir völlig egal, wer für das wettermäßige Dilemma der letzten Zeit zuständig ist. Ob die Verantwortung bei einer männlichen oder weiblichen Obrigkeit liegt, spielte keine Rolle, solange nicht unser Garten davon betroffen war. Doch in eben dieser Nacht änderte sich die Situation grundlegend.
Das Sturmtief „Yulia“ besuchte unser beschauliches Domizil, wütete und tobte dabei dermaßen, dass der honorige Zwetschkenbaum gar arg zu kämpfen hatte und schließlich dem Alter Tribut zollen musste. Er knickte. In Mannshöhe gab er Yulias heftigem Drängen nach, der knorrige Stamm krachte mit durchdringendem Splittergeräusch zu Boden. Keine süßen Früchte mehr im nächsten Herbst, augenblicklich befiel tiefe Trauer mein Obstliebhaberherz. Ich musste jemandem die Schuld geben, allein so konnte ich den aufkeimenden Schmerz überwinden. Die Wetterfrösche des ORF, Kummer und Wadsak, beide konnten sie nichts dafür, beide hatten sie lediglich gewarnt. Die Schuld lag ganz klar ein paar Instanzen darüber.
War das wirklich nur purer Zufall, dass eine Weibsperson, diese "Yulia", den Zwetschkenbaum aus unserer Mitte gerissen hatte, wo doch schon Wochen zuvor "Sabine" und "Petra" ihr Unwesen trieben? Offensichtlich wollte Gott es so, Gott ist zudem weiblich und für das Ereignis dieser stürmischen Nacht verantwortlich. Die Gott ist schuld, hat uns drei stürmische Damen für diese beeindruckende Machtdemonstration geschickt. Warum jedoch unser Zwetschkenbaum, war das wirklich nötig? Ich hätt’s auch so geglaubt, dass die Frauen das starke Geschlecht sind, immerhin bin ich seit 37 Jahren verheiratet und werde tagtäglich Zeuge dieses Umstands. Ich weiß, wie stark Frauen sein müssen, um sich in der von Männern dominierten Welt zu behaupten. Trotzdem, mögen sie noch so stark sein, ihre Logik ist für mich weiterhin undurchschaubar. Die Gott ist da leider keine Ausnahme.
Zum Schluss, ganz im Vertrauen, ein Geständnis: ich bete. Ja, wirklich, ich mach's jeden Abend, ich vergesse nie drauf. Ich bedanke mich. Dafür, dass ich bin, dass ich habe und dass ich glaube. Und wenn mich dereinst der Schöpfer befragt, so habe ich gut vorgesorgt. Ich glaubte, betete und sammelte eifrig Karmapunkte. Ich stieg über Ameisen und Würmer, schmiss kaum Lebensmittel in den Müll und zollte seiner Schöpfung täglich großen Respekt. Hüfds ned, so schods ned, wie der gelernte Österreicher sagt. Und so werde ich's weiterhin halten. Amen.