Wie man Bier richtig teilt.

Mein Umgang mit Lebensmitteln jeglicher Art ist äußerst respektvoll. Ja, das kann ich ruhigen Gewissens von mir behaupten. Ich kaufe, so mir diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen wird, ich kaufe bewusst nachhaltig ein – was immer dieses grässliche Wort, das ich schon nicht mehr hören kann, auch bedeuten mag. Nichts wird weggeworfen, nichts vergeudet. Wenn trotzdem was bleibt, bekommt‘s die Entenfamilie im nahen Bach oder der Komposter im hintersten Eck des Gartens wird gefüttert, damit die Würmer bestimmungsgemäß ihrer Arbeit nachgehen können. Außerdem teile ich gerne, wenn’s bei irgendjemanden einmal knapp wird mit der Versorgung. Nur ein Grundnahrungsmittel ist davon ausgenommen, ist so gut wie unteilbar, also atomos, wie die alten Griechen sagen: Mein letztes Bier wird nicht geteilt, es gehört mir, mir ganz allein. Es sei denn, meine Liebste verlangt danach, da bin ich dann absolut machtlos. Denn selbstverständlich würde sie im Gegenzug jederzeit ihr letztes Schnitzel mit mir teilen. Oder den letzten Ingwertee. 

 

Ja, wir teilen beide gerne, manchmal jedoch auf ganz eigenwillige Weise. Bei Torten mit hohem Creme-Anteil zum Beispiel, da sieht das Procedere wie folgt aus: Ein Messer mit breiter Klinge oder eine Tortenschaufel wird horizontal und mit äußerster Vorsicht knapp über dem bröseligen Tortenboden angesetzt und sodann langsam über diesen gezogen. Anschließend wird der cremige Teil – wieder mit äußerster Sorgfalt – vom Tortenboden abgehoben und auf einem separaten Teller abgelegt. Damit ist die Isolation des überwiegend trockenen Teils, der nur gemeinsam mit Kaffee oder Wein verzehrbar ist, vollzogen. Dieser Teil gehört meiner Liebsten. Und ja, sie will das so. Der obere Teil der Torte, also die Creme mitsamt Schlagobers, dieser Teil gehört mir. Ich bin ja auch größer und schwerer als sie, habe demnach einen viel höheren Energiebedarf. Dass mein Magen belastbarer ist, spricht ebenfalls für das horizontale und für Außenstehende vielleicht ungerecht anmutende Teilungsverfahren. Aber Spezial-Gattin will das so und es wäre sehr unklug, dagegen aufzubegehren. 

 

Irgendwann habe ich angeregt, auch beim Bier den Teilungsschlüssel zu ändern, denn eine 50:50-Teilung muss nicht automatisch gerecht sein. Die Anteile vom Körpergewicht abhängig zu machen, also das Proportionalverfahren anzuwenden, davon hält meine Liebste gar nichts. Ihr Argument? „Es tut dir nicht gut, wenn du zu viel Bier trinkst!“ Mein Gegenargument? Zwecklos, völlig zwecklos, verpufft im Raum. Dabei ging’s bei einer Halben Bier ja noch einfach im Kopf auszurechnen: 57 kg plus 78 kg gibt 135 kg Gesamtmasse, demnach stehen der Gattin 42 % von 500 ml zu – und das schaffe ich locker im Kopf: Sie bekommt 210 ml. Wenn man die Portionierung auf medizinischer Basis vornimmt, kommt fast das Gleiche raus: 1200 kcal Grundumsatz wird für die Chefin, 1500 kcal für mich ausgewiesen, weshalb ihr (zumindest rechnerisch) 44 % des Hopfengetränks zustehen. Wenn wir uns auf dieses Verfahren einigen könnten, läge also Frauchens Anteil - wieder im Kopf gerechnet - bei 220 ml. Funktioniert aber nicht, da gibt’s trotz mehrfacher, geduldiger Erläuterung keine Einigung, sie beharrt stur auf ihren 50 %. 

 

Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, mit der Folge, dass ich bei einem kleinen Bier (330 ml), bei dem die exakte Berechnung ohne Hilfsmittel kaum möglich ist, eine Teilung stets vehement ablehne. Allerdings ohne Erfolg, denn meine Mitbewohnerin bekommt trotzdem die Hälfte ab – aus Liebe, versteht sich. Und die geht bis zum letzten, bis zum wirklich allerletzten Bier, aller Mathematik zum Trotz.