Ausgesetzt.
Direkt vor mir baut sich drohend ein mächtiger, weißer PAX-Schrank auf, zu meiner linken wartet ein Riesenstapel durchsichtiger SAMLA-Boxen auf neue Besitzer und rechts blockieren Unmengen von grauen DRÖNA-Behältern den einzig möglichen Fluchtweg. Hunde werden vor dem Urlaub – wenn sie Glück haben - im Tierheim abgegeben, quälende Ehefrauen an der Autobahn-Raststation vergessen – und ich, ich sitze jetzt hier und warte auf Frauchen. Temporär ausgesetzt im Irrgarten eines schwedischen Möbelriesen, Abholung ungewiss. Doch zunächst zur Vorgeschichte.
Beim Frühstück war’s, das getPocket-Feature am Notebook schlug mir essenzielle, zum Überleben der männlichen Spezies unbedingt zu beherzigende Maßnahmen vor. Wie kann eine Langzeitbeziehung gelingen, so die Frage am Cover des Magazins? Die Brigitte weiß es – und ich jetzt auch. Immerhin schwebt mir vor, noch länger mit meiner mir von höchster Stelle zugeteilten Partnerin zusammenzuleben. Und da hilft mir die Brigitte weiter. Niemals würde ich es wagen, diesen Hochglanzlebenshelfer beim Friseur, beim Zahnarzt oder auch im Kiosk anzufassen, das wäre höchst unmännlich, ich habe ja immerhin ein Klischee zu erfüllen. Aber Online, da kann mir niemand – außer er oder sie ist EDV-mäßig gut geschult – da kann mir niemand diesen Fehltritt nachweisen. Fünf Punkte sind’s, wie fünf Finger an einer Hand, die werde ich mir wohl merken können. Also da wäre …… Verflixt, mir fällt gerade nur ein Punkt ein: Freiräume und Vertrauen. Also gut, fange ich heute eben damit an. Und genau deswegen wurde ich ausgesetzt. Zugegeben, ich habe mein Schicksal gar leichtsinnig herausgefordert. Ohne mögliche Konsequenzen zu bedenken, machte ich einen Vorschlag. „Wir könnten doch heute, wenn wir zur Vernissage meiner Schwester fahren, einen Abstecher zu deinem Lieblingströdelladen machen, liegt ja fast auf dem Weg.“ Sie ignorierte meine bissige Wortwahl und starrte mich ungläubig an. „Meinst du das wirklich ernst, du würdest da wirklich mit mir hin? Gib’s zu, du hast ein schlechtes Gewissen!“
Ich hatte mir zwar eher einen Freudensprung und keine unverhohlene Skepsis erhofft, und mit Misstrauen hatte ich schon gar nicht gerechnet, trotzdem dementierte ich umgehend: „Ach was, ganz sicher nicht, ich sammle lediglich Karmapunkte für’s Paradies, aber wenn du nicht willst, bitte …..“ „Doch, doch, natürlich will ich!“ Und weil sie natürlich will, war sie unnatürlich schnell angezogen. Bereits eine halbe Stunde später waren wir - ganz ohne Blaulicht und Getöse - am Einsatzort.
Dort hockte ich dann ewig lang auf dem 3er-Sofa SÖDERMANN an der schwedischen Flaniermeile und ließ die kauflustigen Massen mit den gigantischen gelben und blauen Umhängetaschen an mir vorbeiziehen. Manche der Passanten warfen mir einen mitleidigen Blick zu, schienen mein Schicksal zu ahnen oder gar aus eigener Erfahrung zu kennen. Ausgesetzt, kaufunlustig und nur der Karmapunkte wegen seinem Schicksal ergeben harrt der arme Mann, so dachten sie wohl, auf dem SÖDERMANN aus. Ich glaubte in einzelnen Gesichtern sogar Tränen zu erkennen, mein über Jahrzehnte geübter Dackelblick traf voll ins Schwarze. Eine ältere Dame bot mir sogar die Hälfte ihres Müsli-Riegels an. Dankend lehnte ich ab, quälte mich hoch und machte mich auf die Suche nach meiner Mitbewohnerin. Zum einen aus Sehnsucht, zum anderen, um gröberes Unheil von unserem Bankkonto abzuwenden.
Nachdem ich schon eingangs den Vergleich mit dem ausgesetzten Hund bemüht habe, hier ein zweiter. Mit der Spürnase eines Drogenspürhundes hatte ich mein Frauchen trotz des wirren Duftgemisches nach wenigen Minuten gefunden. Gerade, als sie sich bei den Duftkerzen für die nächste Invasion der Teelichter rüstete. Ein rasches Küsschen, und ehe ich Pups sagen konnte, war ich wie ein Sherpa auf beiden Schultern mit prallgefüllten gelben Säcken behangen. Na, wenn das mal keine Karmapunkte bringt. Da kann ich mir doch glatt die eine oder andere Verfehlung leisten. Wie meint doch mein weiser Trauzeuge immer: Happy wife – happy life! Und der Tag ist gerettet.